Vorsorge – so vermeiden Sie unangenehme Überraschungen

Interview mit lic. iur. Beat Schellenberg, Vorsorge- und Nachlassspezialist, Nachlasstreuhand.ch GmbH, Zürich

Warum ist die Erstellung eines Vorsorgeauftrages so wichtig?

Viele Menschen sind sich nicht bewusst, wie schnell es im Falle von Unfall oder Krankheit zu einer amtlichen Einmischung kommt. Gerade auch für Immobilienbesitzer wird die amtliche Intervention durch die KESB schnell zu einem Hemmschuh. Solche Situation lassen sich ausschliessen, wenn man einen Vorsorgeauftrag erstellt. So kann man selber bestimmen, wer am besten in seinem Interesse handelt und die Ämter sind so von zusätzlichen Aufgaben entbunden.

Was hat sich zu früher geändert?

Seit dem Inkrafttreten des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts im Jahre 2013 ist die ehemalige Vormundschaftsbehörde auf Gemeindestufe durch eine zentralisierte Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ersetzt worden. Das hat, wie so oft im Leben, Vor- und Nachteile. Einerseits ist die KESB eine Fachbehörde mit speziell dafür ausgebildeten Fachleuten wie z.B. Psychologen, Sozialarbeiter, Treuhänder, Juristen, welche für ausgewogene Entscheidungen Gewähr bieten sollte. Andererseits bestehen, vereinfacht gesagt, auch gewisse Gefahren, indem die Spezialisten in der

«Zentrale» auf Bezirks- oder Kantonsebene fern von den Verhältnissen «vor Ort» entscheiden.

Was kann passieren, wenn «nichts» geregelt ist?

Wird es versäumt, einen Vorsorgeauftrag zu errichten, wird die KESB beim Verlust der Urteilsfähigkeit eines Erwachsenen entsprechende Massnahmen des Erwachsenenschutzrechtes prüfen und gegebenenfalls anordnen müssen. Dies auch, wenn ein Ehepartner oder Kinder vorhanden sind. Die KESB hat in solch einem Fall

z.B. Weisungsbefugnis oder kann eine erwachsenen-schutzrechtliche   Massnahme,  wie

z.B. eine Beistandschaft verbindlich anordnen. Wie «hilft» ein Vorsorgeauftrag?

Mit einem Vorsorgeauftrag legt man als Erwachsener fest, wer sich im Falle einer eintretenden Urteilsunfähigkeit um seine Betreuung, die Verwaltung seines Vermögens und um seine Rechtsgeschäfte kümmern soll, bzw. die entsprechenden Entscheide für ihn fällen kann.

Wie muss ein Vorsorgeauftrag konkret ausgestaltet sein?

Der Vorsorgeauftrag kann ähnlich wie ein Testa- ment errichtet werden (notariell beurkundet oder handschriftlich). Welche Form die «richtige» ist, sollte man im konkreten Fall ad hoc entscheiden.

Für die drei verschiedenen Felder der Tätigkeit (Personensorge, Vermögenssorge, Vertretung im Rechtsverkehr) muss nicht dieselbe Person als Vorsorgebeauftragter eingesetzt werden. Es kann durchaus Sinn machen, dass verschiedene Personen, je nach Ausbildung, Neigung und Fähigkeiten, die entsprechenden Tätigkeiten ausüben. So empfiehlt es sich, je nach Komplexität, die entsprechenden Fachleute entweder direkt zu nominieren oder wenigstens in der Urkunde zu erwähnen («ich wünsche, dass Frau/Herr XY vom Vorsorgebeauftragten beigezogen wird»).

In welchen Fällen eignet sich ein Vorsorgeauftrag?

Grundsätzlich eignet sich ein Vorsorgeauftrag immer, sofern man bei Eintreten einer Urteilsunfähigkeit nicht möchte, dass der Staat einen Beistand ernennt, welcher für einem handeln kann.

In diesem Zusammenhang muss auch darauf hingewiesen werden, dass ein Ehepartner oder eingetragener Partner nicht automatisch und vollumfänglich den urteilsunfähigen Partner vertreten kann.

Hier kann Abhilfe durch ein Vorsorgeauftrag geschaffen werden, indem der Partner z.B. als Vorsorgebeauftragter ernannt wird. Falls Kinder vorhanden sind, können diese als Ersatz- Vorsorgebeauftragte nominiert werden, für den Fall, dass auch der Partner «ausfällt».

Welches sind die drei «Bereiche» eines Vorsorge- auftrages?

Die Personensorge regelt hauptsächlich Entscheide in Angelegenheiten, welche die Gesundheit (ärztliche Versorgung) und die Wohnsituation (Wohnen zu Hause bzw. in einem Heim) betreffen.

Die Vermögenssorge betrifft vor allem die Verwaltung des Bankvermögens und der Immo- bilien, sowie auch die Vertretung gegenüber Steuerbehörden und die Ausarbeitung der Steuer- erklärungen. Sie regelt auch alle administrativen Belange, z.B. die Prüfung und Zahlung von Rechnungen.

Die Vertretung im Rechtsverkehr regelt, wer laufende Geschäfte weiterführen oder neue Geschäfte abschliessen kann. Es regelt auch den Fall, wer den Urteilsunfähigen vor Gericht oder gegenüber Dritten vertreten kann (z.B. bei Haft- pflichtfällen).

Ein wichtiger Anwendungsfall ist zum Beispiel bei Immobilienbesitz die Vertretung gegenüber dem Grundbuchamt und gegenüber Finanzinstituten, welche Hypotheken gewähren. Wenn z.B. ein Grundstück verkauft wird, weil der Urteilsunfähige in ein Heim umziehen muss, kann ein Vorsorgebeauftragter entsprechend seinen im Vorsorgeauftrag festgelegten Befugnissen handeln.

Wie sieht eine Beratung für einen Vorsorgeauftrag in der Praxis aus?

Im Idealfall gelingt es, das familiäre Umfeld bzw. den Freundeskreis einzubeziehen. Erst durch die konkrete Ausgestaltung des Vorsorgeauftrages, wird einem bewusst, welches die idealen «Partner» als Vorsorgebeauftragte sind und wie genau die Befugnisse ausgestaltet werden sollen. Es muss hier insbesondere auch auf die Stärken und Schwächen des zu nominierenden Vorsorgebeauftragten Rücksicht genommen werden. Für welche

«Bereiche» eignet sich jemand oder eben nicht? Welche Befugnisse müssen in der konkreten Vermögens- und Gesundheitssituation eingeräumt werden?

Was ist Ihr Fazit?

Als Fazit kann man ziehen, dass jeder prüfen sollte, ob ein Vorsorgeauftrag in seiner Situation nötig ist und falls ja, wie dieser am besten ausgestaltet werden kann. Aber auch ein bereits erstellter Vorsorgeauftrag sollte periodisch überprüft werden, ob dieser noch den aktuellen Bedürfnissen entspricht.